Stellungnahme Wohnen/BTHG

 

Stellungnahme zu einer Entkoppelung von Miet- und Betreuungsvertrag vor dem Hintergrund des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)

 

Wer sind wir?

Das Bundesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit (NetzG) hat sich anlässlich der Tagung „Recovery und Selbsthilfe“ am 9.11.2016 in Kassel gegründet.

„Wir möchten die Umsetzung der in der UN-BRK verankerten Rechte und die sich daraus ergebenden Handlungsfelder für Menschen mit einer seelischen Beeinträchtigung fachlich fundiert, gleichberechtigt und praxisnah mitgestaltend begleiten, kommentieren und reflektieren und so einen wichtigen Beitrag zur Inklusion leisten.“ (aus NetzG: Satzung Grundsatzerklärung, Absatz 3).

Sachverhalt

In der Praxis vieler sozialpsychiatrischer Dienstleister (angeschlossen an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege oder private Betreiber mit Versorgungsvertrag), wird der Mietvertrag mit Klienten (in unserem Fall mit Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen) mit einer  Betreuungsform gekoppelt. Die einzelnen Betreuungs- und Versorgungsleistungen entsprechen häufig einem pauschalen gefassten Hilfebedarf, der auch in einer pauschalen Leistung gewährt und finanziert wird. Dies ist unseres Erachtens sehr einrichtungs- und nicht personenzentriert. Jedoch wird es in der Arbeitspraxis beispielsweise im Rahmen einer (therapeutischen) Wohngemeinschaft oder im Heimbereich so vollzogen.

Verändert sich der Hilfebedarf, so ist dies häufig mit einer Kündigung verbunden.

Folgen:

  1. Menschen müssen Ihren gewohnten Sozialraum verlassen und dorthin ziehen, wo ihnen der adäquate Wohn- und Betreuungsrahmen gewährt wird.
  2. Vereinzelt kommt es zu Entlassungen in die Obdachlosigkeit (Pensionen, Wohncontainer oder kommunale Obdachlosenhäuser).
  3. Betroffene werden in der eigentlich nicht mehr notwendigen Betreuungsform „zwangsbeheimatet“, wegen des Fehlens von geeignetem, bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum für den Personenkreis der Menschen mit psychischen Störungen.

Daher regen wir dringend an:

  1. Entkoppelung von Wohnform und Betreuungsleistungen:
    Stärkung der Selbstbestimmung auch durch die Wahrnehmung des Aufenthaltsrechts und der Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Angeboten. Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Möglichkeit des persönlich gemieteten Wohnraums, auch in betreuten Wohnformen (WG, Heim) zulassen.
  2. Differenzierung der pauschalen Betreuungsleistungen hin zu individuell notwendigen Einzelleistungen unter Einbeziehung der Fähigkeiten des Betroffenen. Dies reduziert Unselbstständigkeit und Hopitalisierung.
  3. Flexible Erbringung von sozialpsychiatrischen Dienst- und Komplexleistungen, dort wo der Betroffene wohnt – adäquat dem Hometreatment im medizinischen Versorgungsbereich.
  4. Schaffung/Errichtung eines Systems von „gerechter“ Verteilung von geeignetem, bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum für den Personenkreis der Menschen mit psychischen Störungen.
  5. Beispielhaft Wohnbaugenossenschaften in die Überlegungen einzubeziehen:

http://m.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Wohnungswirtschaft/kommission_wohnungsgenossenschaften_bericht_zusammenfassung_bf.pdf:

Zitat BMUB:

„Das genossenschaftliche Wohnen gewährleistet einen Schutz vor Verdrängung und Kündigung, der über die allgemeinen mietrechtlichen Bestimmungen hinaus geht und zur individuellen Existenzsicherung beiträgt. Insofern handelt es sich um bestandssicheren Wohnraum, der in dieser Hinsicht mit dem individuellen Wohneigentum nahezu vergleichbar ist."

Dieses Dokument wurde von der AG Wohnen/BTHG von Rainer Schaff und Hermann Stemmler erstellt.